Grenzsteintrophy Teil 6

Nach einer Nacht in der ich von schlurfenden Schritten auf einer Holzdecke geträumt hatte, frühstückten wir bei Kapitän Ahab um 8.00 Uhr, packten unsere Sachen und machten uns als erstes auf die Suche nach einer Apotheke. Rainers Bürzel zwickte und zwackte weiterhin gewaltig und er ließ sich von der jungen attraktiven Apothekerin sehr genau und fachfrauisch beraten.

Das Wetter wirkte passabel und ich startete mit Armlingen und Weste. Schnell wies uns der Track an einen Bachlauf heran und wir folgten einem fantastischen Wanderweg bzw. Singletrail in Richtung Brocken. Die Geschwindigkeit war gering, der Boden völlig nass, die Luft trinkbar, aber dennoch machte jeder Meter Spaß. (Hier ist die überraschende Genauigkeit beider GPS-Geräte hervorzuheben, die uns trotz Blätterdach sehr genau lotsten.)

Tief im Urwald?

GST PK 219

Überreste aus einer vergangenen Zeit

GST PK 222

GST PK 220

Nach der Passage auf dem Trail kamen wir auf einen geschotterten Waldweg und es begann der Aufstieg in Richtung Brocken. Die Wanderwege wiesen zu Beginn 8km aus. Die Steigung war moderat und angenehm fahrbar.

Nach kurzer Zeit wechselten wir auf einen Kolonnenweg und das Befahren wurde ungemein schwieriger. Da es zu steil wurde, um im grasbewachsenen Mittelstreifen zu fahren, galt es den 15cm Streifen zwischen den Löchern im Beton zu erwischen. Trotz des hohen Gewichtes auf dem Hinterrad durch das Gepäck, fing die Fuhre im Wiegetritt, wenn man die Löcher erwischte, unweigerlich so heftig an zu springen, dass man sofort stand. Es war einfach keine vernünftige Kraftübertragung möglich.

GST PK 226

Rainer fing früher mit dem Schieben an, irgendwie kam ich besser mit mit den Verhältnissen fahrerisch klar. Ist wie Rolle fahren im Wiegetritt: knifflig, aber nicht unmöglich.

Inzwischen waren wir in so eine Art wolkiger Sprühregen geraten. Schwer zu sagen, woher die Feuchtigkeit kam, ob von Innen oder doch von Außen.

Ungefähr 3 Kilometer vor dem Brocken wechselte ich dann auch dauerhaft in die Fußmarschvariante um.

GST PK 230

Und hier zeigte sich dann auch, dass Rainer deutlich scheller als ich schieben kann. Ich verlor schnell an Boden.

GST Pinguin 141

Vielleicht lässt sich an diesem Bild erahnen, wie steil es war.

GST Pinguin 142

Auf dem GPS-Gerät wanderten langsam die Höhenmeterlinien vorbei. (Das Gerät zeigt alle 20 HM eine Linie.) Die Sicht auf dem Brocken betrug ca. 30 bis 50m. Wir freuten uns auf einen Kaffee.

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Waren vorher schon mal Leute mit einem Singlespeeder auf dem Brocken? Ganz ehrlich, das ist wahrhaftig bescheuert. Lieber ohne Rad hochgewandert, aber so hatten wir einen völlig überflüssigen Brocken Altmetall mit hochgeschliffen. Wir hatten in 5h reiner Fahrzeit, genau 50km geschafft.

Nach dem Kaffee schlüpfte ich in meine Regenjacke und die langen Handschuh und wir versuchten vorsichtig dem Track bergab zu folgen. In moorigen Passagen gibt es Holzstege, auf den man sich nicht die Füße schmutzig macht. Vorsichtig schoben wir unsere Räder über das glitschige Holz.

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Nach der Vorsicht kommt aber der Leichtsinn und ich fing an, über kurze Holzübergänge zu fahren. Der zweite Steg schon danke es mir, indem er mein Vorderrad verschluckte. Während ich über den Lenker flog, machte ich mir schon Gedanken darüber, wie ich dem Gepäck an meinem Sattel ausweichen kann, welcher mir freundlicherweise folgte. Der Schwung reichte nicht aus und das Rad blieb angelehnt am Geländer stehen.

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Ich ließ ein bisschen Haut von der Wade liegen, aber sonst ist nichts passiert.

GST Pinguin 144

Ach ja… und ein Zug kam vorbei. 😀

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Wir stiegen auf und weiter ging die Fahrt durch den Harz. Mitten im Nirgendwo machten wir Rast. Rainer verarztete seine offene Stelle am Fuß und wir schnatterten ein bisschen mit zwei Wandersleuten, die genauso erstaunt waren, an dieser Stelle jemanden zu treffen. Sie liefen weiter um die nächste Ecke und riefen erstaunt, dass da hinten noch mehr Radler seien.

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Die Radler waren nur einer und natürlich der Albert.

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Mit Sandalen und kurzer Hose! Die Beine dankten ihm mit einer fröhlich roten Farbe.

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Wir trafen Albert später auf einem kurzen Trail wieder und ich konnte ihn in einem der Auf- und Abstücke kurz vor uns sehen, aber dennoch war das die letzte Begegnung mit Albert.

Der Grenzweg zeigte sich bald von seiner heftigsten Seite. Für uns bedeutete das, langsam bergab den Kolonnenweg holpern und berghoch schieben.
(Um sich die Relation klar zu machen: Auf dem Foto gibt es einen kleinen schwarzen Fleck unten in der Senke… das bin ich.)

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Wir hatten erst mal genug und suchten uns in der nächsten Ortschaft etwas zu essen und landeten wohl im urigsten Imbiss am ehemaligen Grenzverlauf.

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Nach einem ausgiebigen Mahl folgte die finale Abfahrt und wir verließen den Harz. Schlagartig hörte es auf zu regnen, die Wege waren staubtrocken. Nach den schlammigen Wegen sahen wir entsprechend wüst aus.

GST PK 275

In einer kleinen Ortschaft besorgten wir uns sicherheitshalber noch etwas für den Sonntag zu essen. Geplant war, irgendwo draußen zu schlafen, aber das Wetter sah so unsicher aus, dass wir gegen 20.00 Uhr nach Duderstadt fuhren und uns eine Bleibe suchten. Nach etwas hin und her und zwei drei Telefonaten belegten wir ein Zimmer in einem stillgelegten Gasthof. Nur noch gelegentlich würden Leute einkehren und so kam es auch, dass wir den gesamten Gästebereich für uns alleine hatten. Unsere Räder schliefen in einer riesigen Festscheune und der Wirt verkaufte uns zwei Flaschen warmes Bier. Fein!

Ich zog am Abend noch eine Zecke aus Rainers Rücken und wir hängten überall im Flur unsere Kleider zum Trocknen auf.

Wir sind am Samstag nur 130km weit gekommen, haben aber den gesamten Harz gequert und anschließend wurde die Strecke nicht leichter. Dennoch fühlten wir uns beide erstaunlich wohl. Selbst Rainers Problemstelle hatte sich durch die langen Schiebepassagen gut erholt.

Grüße

W.

3 Gedanken zu “Grenzsteintrophy Teil 6

  1. luft zum trinken, zecke am rücken, warmes bier, nur die harten kommen in den garten. wieder ein sehr feiner bericht!

    sag mal, fährt der albert nebenberuflich bei der tour de france mit? der kerl hat ja krasse oberschenkel!

  2. Danke.

    Albert war letztes Jahr der schnellste deutsche Paris-Brest-Paris-Teilnehmer. 1200km in 56h.

  3. Holla, die Waldfee! Ein schöner Bericht, -Respekt vor der Leistung.
    Seid Ihr offiziell die Erfinder des Radwanderns im Harz?
    Auch sehr schön die Geschicht von dem Fahrradständer neben der Eisenbahn.
    Ein Abenteuerland.
    Welches ist das ideale Rad für die Kolennenwege? 29er vollgefedert? mit allen Schaltungen? oder gleich zu Fuß?

    Grüßle

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